[StuRa-News] Offener Brief an die Verantwortungsträger des Freistaates Sachsen

Michael Mischke stura@tu-chemnitz.de
Tue, 23 Jul 2002 16:52:32 +0200


Offener Brief an den Freistaat Sachsen - wir werden klagen!!
„Immer noch keine Verbesserung der Situation an der TU Chemnitz – Standort in
Gefahr!“

Sehr geehrte Damen und Herren,

einen Monat ist es her, dass 4500 Menschen in Chemnitz gegen die Bildungspolitik
in Sachsen demonstriert haben, einen Monat ist es erst her, dass uns eine
Senkung der Haushaltssperre und eine zügige, „unbürokratische“ Bearbeitung der
Ausnahmanträge zum Einstellungsstopp versprochen wurde. Sogar von neuen
Konsensverhandlungen war die Rede…

Nichts ist seitdem passiert.

Das SMWK ist nicht zu sprechen, das SMF fühlt sich nicht zuständig, obwohl dort
die dringenden Ausnahmeanträge schon seit Wochen zur Bearbeitung bereit liegen.

Unsere TU hat sich auf Geheiß des SMWK und der SHEK eine Entwicklungskonzeption
erarbeitet und bereits vor drei Jahren begonnen, diese auch aktiv umzusetzen.
Ganze Studiengänge wurden zu Gunsten neu enstandener Forschungsgebiete (wie z.B.
Interkultureller Kommunikation und Medienkommunikation) im Rahmen einer
Profilierung des Wissenschaftsstandortes Chemnitz abgeschafft und nun rächt sich
dieses Vertrauen. Alle durch diese und aktuellere Neustrukturierungsvorgänge
vakant gewordenen Stellen werden nicht neu besetzt. Die Berufungsverfahren sind
abgeschlossen, die Bewerber warten schon, aber das Land gibt einfach kein Geld.
Über 20 Professuren sind frei, nicht wenige sind unverzichtbare Elemente neuer
Studiengänge. 

Zusätzlich zu all den Drangsalierungen durch Haushaltssperren, Stellenkürzungen
und den allgemein doch recht knappen Mitteln sind durch diese vollkommene
Planlosigkeit ganze Sonderforschungsbereiche (die insgesamt über 4 Millionen
Euro Drittmittel einbringen) und Studiengänge gefährdet.

Wir erwarten dringend von unserer Landesregierung, dass sie sich für den
Standort Chemnitz einsetzt. Unsere Universität ist bald handlungsunfähig, muß
Immatrikulation in bestimmten Studiengängen einstellen und lebt nur vom guten
Willen ihrer Professoren und Mitarbeiter, die durch Drittmittel illegal
finanzieren, was sonst unmöglich wäre.

Wir sehen uns gezwungen ob dieser Umstände gegen den Freistaat zu klagen und
haben Kontakt zu Rechtsanwälten aufgenommen. Wenn nicht bis Anfang August die
Berufungen für Professuren in die Wege geleitet werden, sind hunderte Studenten
nicht in der Lage ordnungsgemäß zu studieren. Das können wir uns so einfach
nicht bieten lassen.

Wir hoffen an dieser Stelle, daß Sie, werte Verantwortungsträger, sich bewußt
sind, was Ihre Politik verursacht. Chemnitz ist unbestritten eine der
innovativsten Universitäten innerhalb Deutschlands und muß nun gerade die
Studiengänge einstellen, die sie dazu gemacht hat. Zudem soll sich unser Rektor
konstruktiv an den Konsensverhandlungen mit einer Staatsregierung beteiligen,
die schizophren – ohne jegliche Selbstzweifel - Geld für ein neues Medienzentrum
in Leipzig hat, hier aber gleichzeitig den einzigartigen Studiengang
Medienkommunikation sterben läßt. Das ist unbeschreibbar der blanke Hohn.

Herr Milbradt bedauerte in einem Interview in der Freien Presse, daß bislang
noch keine einzige der SHEK Anregungen umgesetzt worden ist; doch nun werden
Hochschulen, die bislang jede Umstrukturierung boykottiert haben bevorteilt und
unsere Umstrukturierungen torpediert, obwohl sie völlig konform mit der SHEK
erarbeitet worden sind. Für zwei unserer neuen Studiengänge, IKK und
Computational Science wurde die (nach drei Jahren anstehende) Entfristung
abgelehnt,  mit der Begründung: Es gäbe Problem mit den Resourcen. Ja diese
Probleme gibt es, es sind aber auch die Einzigen, die es gibt. Diese
Studiengänge laufen gut, sind gefragt und anerkannt, aber im nächsten Semester
mit nur einer halben Sekretärin für über 500 Studierende „etwas unterversorgt“…

Die Region Südwestsachsen braucht unsere TU und sie wird die Folgen dieser
fragwürdigen Politik nicht ohne Weiteres verkraften können.

Sind Sie sich bewußt, wie unlogisch Sie handeln? 

Man kann nicht von Innovation und Konsens sprechen, wenn man jede
Umstrukturierung bestraft Zudem gibt es Ausgabereste (aus PM des SMWK 26/2002)
aus dem letzten Jahr, obwohl schon seit Jahren über zu wenig Geld gejammert
wird. Auch letztes Jahr gab es eine Haushaltssperre von 26% auf Sachmittel, also
ca. 32 Millionen Euro und jetzt sind 60 Millionen übrig???


Wir fordern die Aussetzung des Einstellungsstopps und sinnvolle, zielbewußte
Konsensverhandlungen jetzt. Der Standort Sachsen braucht Sie und Ihre Stimme für
eine nachhaltige Standortpolitik. Auch schon vor der Bundestagswahl.






Für die Studentenschaft der TU Chemnitz



Sven Regel und Michael Mischke

Referenten für Öffentlichkeitsarbeit und Hochschulpolitik